26. September 2011 · Kommentare deaktiviert für Die UNO-Kinderrechtskonvention und die Entwicklung internationaler Kinderrechte sowie mögliche Perspektiven für das deutsche Recht · Kategorien: Aktuelle Entwicklungen, Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII), Sorgerecht, Umgangsrecht, Unterhalt, Vaterschaft, Vormundschaften

Im letzten Jahr hat die Bundesrepublik Deutschland ihren Vorbehalt gegen die direkte innerstaatliche Anwendbarkeit der UNO-Kinderechtskonvention zurückgenommen, nachdem der Bundesrat seinen langjährigen Widerstand aufgegeben hatte (vgl. den entsprechenden Artikel auf dieser Seite).  Am 17.06.2011 nahm der UNO-Menschrechtsausschuss den Entwurf eines Zusatzprotokolls an, der die Einrichtung von Individualbeschwerdeverfahren für Kinder vorsieht. Diese Entwicklung soll Anlass für einen kurzen Überblick über die Entwicklung der internationalen Kinderechte sein, vor deren Hintergrund nicht zuletzt auch das geltende deutsche Recht gesehen werden muss.

Zunächst ist ein kurzer Überblick über die Entwicklung der UN-KRK aufschlussreich, bei dem sich an dieser Stelle auf Lothar Krappmann als Mitglied des UN-Kinderrechtsausschusses gestützt werden soll, der diese Entwicklung einschließlich sich daraus ergebender Fragestellungen für das deutsche Recht bei seinem Vortrag an der Fachhochschule Potsdam am 07.01.2011 sehr anschaulich dargestellt hat (Quelle: ZKJ 4/2011, S. 123-128).  Anfänglich gab es gegenüber einer solchen Konvention eine gewisse Skepsis, da angenommen wurde, dass viele Staaten diesem Abkommen nicht beitreten werden, da es sich bei Kindern und Familien um ein Gebiet handelt, auf dem Staaten mit direkten Maßnahmen und Eingriffen sehr zurückhaltend seien, da es sich hier um einen Teil der Privatsphäre handelt. Zudem würden die Staaten höchstwahrscheinlich auch nicht die geforderten Berichte erstellen und die Empfehlungen eines entsprechenden Ausschusses ignorieren. Diese Annahmen sollten sich als unbegründet erweisen. Der UN-Kinderrechtskonvention traten mit Ausnahme der USA und Somalia alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen bei, diesen Erfolg konnte bisher kein anderes UN-Menschrechtsabkommen verzeichnen. Der Kinderrechtsausschuss hat nicht nur Probleme,  mit der Verarbeitung der eingereichten Berichte hinterherzukommen,  sondern alle Vertragsstaaten haben auch Schritte zur Sicherung der niedergelegten Kinderrechte unternommen, auch wenn dies in manchen Fälle nur zögerlich und nicht immer mit aller Konsequenz geschieht. Was Deutschland angeht, so gab es sogar nach dem deutschen Betritt 1992 viele Politiker und Ministerialbeamte, die diese Konvention zumindest für Deutschland als überflüssig betrachtet haben, da die entsprechenden Standards bereits verwirklicht wären, was sich in den folgenden Jahren jedoch als falsch herausstellte. An vielen Stellen des Kindschafts- und Familienrechts mussten Anpassungen vorgenommen werden, ob dies nun das vollständige Gewaltverbot bei der Kindererziehung oder die Gleichbehandlung der außerhalb von Ehen geborenen Kinder war. Ebenso wird im Zusammenhang mit der Forderung, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, oft der Einwand vorgebracht, diese würden ja schon alle im Art. 6 GG stehen. Ein anderes Beispiel  für den Rahmen, den die Konvention für die Ausformulierung der Menschenrecht für Kinder schaftt,  ist der Art. 28 der Konvention, der die Staaten zu einer kostenlosen „primary education“ verpflichtet. Wenn die weltweite Spanne von 3-8 Jahren geht – genügt hier die vierjährige deutsche Grundschule? Müssen auch Schulbücher oder der Schulbus kostenlos sein?

Neben diesen von Krappmann aufgeworfenen Fragen ist mit der Annahme des Entwurfes für ein Zusatzprotokoll eine weitere Entwicklung in Sicht. Das hier vorgesehene Individualbeschwerdeverfahren, das die direkte Geltendmachung einer Verletzung von Rechten aus der Konvention vor dem UNO-Kinderrechtsausschuss in Genf vorsieht, soll Kindern die Möglichkeit eröffnen, auf internationaler Ebene ihre Rechte durchzusetzen. Voraussetzung hierfür ist die Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges, es sei denn, entsprechende nationale Rechtsbehelfe sind nicht vorgesehen oder ineffektiv. Zu dieser Entwicklung gibt es in Deutschland (das zu den 10 Staaten gehörten, die den Protokollentwurf in den Menschrechtsrat einbrachten) außerhalb der Politik erste Reaktionen, wie etwa die vom Deutschen Institut für Menschenrechte, das diese Beschwerdemöglichkeit ausdrücklich begrüßt, da hier eine wesentliche Lücke im internationalen Menschenrechtsschutzsystem geschlossen wird (link). Auch das auf deutscher Seite federführende Bundesfamilienministerium wies darauf hin, dass es sich hier um die letzte Menschrechtskonvention ohne die Möglichkeit einer Individualbeschwerde handelt, und der Parlamentarische Staatssekretär treffend anmerkte, dass “Rechte ohne Durchsetzung nur halb so viel wert” sind und die Kinder darüber hinaus auch vor negativen Konsequenzen geschützt werden sollen, die ihnen in einigen Staaten bei der Rüge von Rechtsverletzungen drohen werden (vgl. Pressemitteilung). Zudem sollte vielleicht nicht unerwähnt bleiben, dass das Protokoll bei Hinweisen auf systematische und schwerwiegende Kinderrechtsverletzungen dem UN-Ausschuss die Möglichkeit in die Hand gibt, in dem betreffenden Staat unmittelbar Untersuchungen vorzunehmen.

Nachdem der Menschenrechtsrat diesen Entwurf angenommen hat, wird er im Dezember der UNO-Generalversammlung zur Verabschiedung vorgelegt. Danach ist der Weg für die Ratifizierung durch die Mitgliedsstaaten frei.

Die Entwicklung bei dem Ausbau von Kinderrechten und deren Durchsetzung ist also noch lange nicht abgeschlossen und wird auch hier weiter verfolgt und gegebenenfalls dargestellt werden.

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